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Die Designer- und Architektengruppe „Platforma 9,81” (Damir Blazevic, Dinko Peracic, Marko Sancanin und Miranda Veljacic) aus Zagreb ist einer der vier Partner des Projekts „Zagreb3000“. Diese Initiative hat sich seit 2003 zur Aufgabe gemacht, die freie Kulturszene in Zagreb zu stärken. Von Manuela Hötzl.

Agenten des Wandels: Andere Zeiten, neue Rollen

Ist Architektur politisch? Für „Platforma 9,81“ ist Architektur nichts anderes. Gerade jetzt. Gerade in Kroatien.

Am 25. Juni 1991, Tag der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens, wurde ein neuer Staat seiner Selbstständigkeit übergeben. Schnell und radikal änderte sich das Land, die Politik, die Wirtschaft und nicht zuletzt die kulturelle Szene. Die Globalisierung und das Entstehen einer neo-liberalen Wirtschaftspolitik zeitigten schwer wiegende Folgen für die Gesellschaftsstruktur Kroatiens. Die Globalisierung hat in der Vergangenheit nicht nur zu einer starken Konzentration von Stadträumen und Regionen in Europa geführt, sondern auch zu „Schrumpfungen“ von Städten, wie sich partiell auch in Zagreb beobachten lässt. In der kroatischen Hauptstadt wurden die plötzliche Abschaffung des gesellschaftlichen Eigentums und weit reichende Privatisierungen zu einem gesellschaftlichen wie städtebaulichen Problem. Der Untersuchung, wie sich der Raum und die Architektur Zagrebs durch die Privatisierung des Eigentums verändert haben und wie man darauf reagieren kann, hat sich „Platforma 9,81” angenommen.
Damir Blazevic, Mitbegründer der Gruppe: „Durch die Auflassung von Fabrikgeländen und Militärstützpunkten und durch die Beendigung des gemeinnützigen Wohnungsbaus entstanden im ganzen Land unkontrollierte, leere, verlassene Räume.“ (1) Grund genug für die Architekten von „Platforma 9,81“, auf die nicht immer positiven Veränderungen zu reagieren: „Unsere Mitglieder haben sich nicht aufgrund ihrer Designer-Vorlieben oder ähnlicher architektonischer Diskurse gefunden. Das Kollektiv gründete sich eindeutig unter politischen Prämissen in einem spezifischen Kontext.“ (2)
In der Übergangsphase Kroatiens, Ende der neunziger Jahre, in der „öffentliche Institutionen zunehmend geschwächt wurden und der Staat die Kontrolle in Privathand übergab“(3), so Blazevic, konnte Architektur „nicht auf die neue soziale Dynamik antworten“. (4) Für die Mitglieder von „Platforma 9,81“ wandelte sich damit auch das Selbstverständnis als Architekten. Statt sich wie viele andere Kollegen auf die rein repräsentative Rolle des Bauens zu beschränken, begreifen sie sie sich als „Manager des Raumes“ und setzen sich mit städtebaulichen Veränderungen auseinander, die sie im besten Fall auch selbst mitsteuern.
„Architekten können als Vertreter für den öffentlichen Raum und die Stadtplanung wesentlich sein“, glaubt man bei „Platforma 9,81“. So versucht die Initiative seit 2003 in die Entwicklung von Zagreb nicht nur punktuell, mittels Interventionen, einzugreifen, sondern sich des „Materials“ der leeren, undefinierten Räume anzunehmen, um den Stadtraum für die Zukunft nachhaltig umzustrukturieren. Kommunikation steht bei der Arbeit der Gruppe an allererster Stelle. Ein Gebot der Stunde, wie Damir Blazevic meint: „Dialog, Wissensaustausch und interdisziplinäre Arbeit waren nämlich, genauso wie genügend Raum oder eine adäquate Infrastruktur, in der Kulturszene von Zagreb bisher kaum vorhanden.“
Gemeinsam mit ihren Partnern, dem Zagreber „Center for Drama Arts“ (CDU), der Kuratorengruppe „What, How and for Whom“ (WHW) und dem Multimedia Institut (mi2) organisieren sie darum Symposien, Performances, künstlerische Interventionen, Vorträge oder Workshops. Im Vordergrund dabei steht, wie etwa bei dem Projekt „Invisible Zagreb“, die Bespielung von verlassenen Gebäuden oder Räumen mit dementsprechender Infrastruktur. Diese vergessenen, undefinierten und verlassenen Orte in der Stadt sollen nicht nur kurzfristig besetzt werden. Ziel ist es vielmehr, die Stadt großräumig zu erforschen, die Räume zu kategorisieren und mit Abschluss des Projekts für künftige Architekturprojekte verwendbar zu machen.

Zusammenarbeit mit der Stadt

Wesentlich ist deswegen nicht nur die Zusammenarbeit innerhalb der freien Szene, sondern auch die mit bestehenden Institutionen, Entwicklern, Architekten, Investoren und der Regierung. „Jeder Einzelne ist daran interessiert, eine zeitweilige Vernetzung öffentlicher Räume zu schaffen“, meinen die Architekten optimistisch. Durch ihre Veranstaltungen im alten Schlachthof in der Heinzelovastraße, einem denkmalgeschützten Industriegebäude, wurde das Gelände wieder Teil des geistigen Stadtplans und stellt somit nur eines der Beispiele dar, wo gewonnene Erfahrungen und Erkenntnisse in die künftige Planungskultur der Stadt einbezogen werden können. Die Folge davon könnten öffentliche Wettbewerbe sein. Blazevic: „Wir versuchen, dieses Ziel zu erreichen, indem wir die jeweiligen Verantwortlichen wie etwa das städtische Immobilienbüro oder die Abteilungen für Kultur und für Stadtplanung in alle Prozesse einbinden.“ (5) Die zeitlich begrenzte Bespielung der Orte setzt den Anfang, die Ergebnisse der Workshops, Seminare oder Symposien
werden laufend zusammengefasst und steht den Verantwortlichen der Stadt, ganz nach dem umfassenden Kommunikationsanspruch, zur Verfügung.

Instrumente der Stadtplanung

Die Stadtplanung des 21. Jahrhunderts liegt längst nicht mehr in den Händen von Planern und Architekten. Auch weil der Nationalstaat immer mehr Verantwortung an private Investoren abgibt, ist die „Realität“ Stadt heute anderen Mechanismen unterworfen und eigentlich nicht mehr „planbar“. Was noch der italienische Architekt Aldo Rossi (Architektur der Stadt, 1975) unter der Prämisse „Bauen und Gestalten“ als „primäre und permanente Elemente“ im Sinne von „Kontinuität und Identität“ einer Stadt formulierte, liegt nun zum großen Teil außerhalb des Einflusses der Architektur.
Doch nur wenige Architekten reagieren auf diese neueren Maschinerien der Stadtplanung, die sich mit Individualisierung und Organisationsstrukturen auseinandersetzt, die auch Abbild unserer Kultur geworden ist. Kritische Interpretation der eigenen Realität und eine wiedergewonnene Kenntnis der Potenziale sind dabei ebenso wichtig wie kurzfristige Interventionen. Das Projekt „Zagreb3000“ zielt in diese Richtung. Nicht nur räumliche Ressourcen werden eingebunden, mit konkreten Aktivitäten vernetzt und somit aktiviert, wichtig sind auch die statistischen und dokumentarischen Recherchen, die der Stadtplanung wieder Instrumente in die Hand geben. Die führen im Idealfall zu konkreten Ergebnissen. Wenn die Kommunikation funktioniert.

Originalzitate

(1) This led to a total change: social ownership was privatized, vacant
industry sites and abandoned army bases left territory uncontrolled, public
housing projects from modernization era stopped, a small private particle was launched, as the only material for structuring the space of new Croatia.
(2) «Members of Platforma 9,81 were not brought together by their designer preferences or similar architectural discourse. The collective was founded on basis of clearly political reasons in a specific context”.
(3) In the era of a weakening of public institutions and transferring of state control to the field of private interest, the architect influences urban policy as an advocate of public domain.
(4) We believe that architecture practiced as pure discipline cannot respond to the new social dynamics.
(5) We try to accomplish this task by collaborating with the City of Zagreb
(the owner of most of the property involved in project) and its different
departments, and different actors interested for the lots/buildings we map
and activate.



Platforma 9,81 – NGO for architecture and media, Jakova Gotovca 1, room 5, 10000 Zagreb, Croatia, phone/fax +385 (0) 1 4635881
erschienen im "Magazin für Kontakt d. Erste Bank Group", issue1
> Platforma981 > Magazin Issue1-